Dokumentation der Konferenz zur Gründung des Kultur- und Kreativrats Gaarden am 29. und 30. August 2015 im Restaurierungszentrum Kiel
Der Kultur- und Kreativrat Gaarden hat sich am 29. / 30. August 2015 bei einer Konferenz im Restaurierungszentrum Kiel gegründet. Der Kultur- und Kreativrat ist bestückt mit bereits hochgradig vernetzten Akteur(inn)en aus dem Stadtteil und versteht sich mithin als Netzwerk der Netzwerker. Im Kultur- und Kreativrat Gaarden treffen sich hohe Kompetenz, gute und effektive Zusammenarbeit sowie ein breites Spektrum der Kulturen im Stadtteil.
Ausgangspunkt der Gründung des Kultur- und Kreativrats waren neun Impulsreferate von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Spektren und Themenbereiche. Dabei wurde am Ende mehr erreicht als der angestrebte Überblick über die Lage der Kreativen, ihre Probleme und Bedürfnisse. Heraus kamen zahlreiche Projektideen, die jedoch naturgemäß untermauert werden müssen. Auch was die Finanzierung betrifft.
Begleitet war die Konferenz von einem Live-Event auf dem Vinetaplatz. Per SMS wurden die wichtigsten Stichworte der Impulsreferate an einen Künstler und einen Schauspieler geschickt, die diese Texte mit einer Performance auf Schaufenstern großflächig zu Papier brachten und auch einen Film darüber anfertigten.
Impulsreferate
1. Dirk Hoffmeister: Künstlerinnen und Künstler in prekären Verhältnissen und die Rolle der Sub- Off- und Soziokultur in Gaarden
Dirk Hoffmeister ist Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins K34, der mittlerweile vier Häuser im Stadtteil programmatisch bestückt (Galerie Medusastraße 14, Hinterhofgebäude Medusastraße 14, Galerie ehem. Schlecker, Kulturzentrum Medusa).
Vielfach hat es die K34 mit Kunstschaffenden in prekären Verhältnissen zu tun. Das Nötigste zum Leben kommt oft vom Jobcenter, dies zu ändern, ist aus verschiedenen Gründen schwierig. Für Ausstellungen fehlt es an Mitteln, ebenso fürs Eigenmarketing, und mit der Erstellung eines Businessplans, der Voraussetzung für die Förderung von Selbstständigkeit ist, sind die Betroffenen meist überfordert. Hinzu kommt die problematische Kooperation mit dem Jobcenter, das den Beruf Künstlerin/Künstler nicht als solchen anerkennt.
Trotzdem sind die Kreativen aus dem Umfeld der K34 produktiv und gut vernetzt.
Zuzuordnen sind diese Kreativen überwiegend dem Bereich der Soziokultur. Einem Segment, das nicht hoch genug eingeschätzt werden kann und mithin als Ursprung aller hohen Künste betrachtet werden muss. Soziokultur ist kein Unkraut, sondern eine Frucht, die gerade in Gaarden besonders wichtig ist.
Soziokultur hat aber auch einen schweren Stand. Etwa durch die Konkurrenz etablierter Träger. Diese arbeiten mit professionellen Kräften und graben den „Einzelkämpfern“ häufig das Wasser ab, weil sie das Handwerk der Beantragung von Fördermitteln besser beherrschen. Auch sind die großen Träger viel stärker mit denen vernetzt, die in Politik, Verwaltung und Wirtschaft auf den Geldtöpfen sitzen. Und nicht zuletzt gibt es immer wieder Fälle von Ideenklau. Konzepte, die sich die Kleinen ausdenken werden von den Großen realisiert – und zu Geld gemacht. Als rühmliche Ausnahme bewertet Dirk Hoffmeister das Kulturamt der Landeshauptstadt Kiel. Er lobt ausdrücklich die vertrauensvolle Zusammenarbeit, regt aber auch Korrekturen an offiziellen Vorgaben an. Überdenken sollte man demnach besonders den Grundsatz, keine Events in bereits geförderten Räumen zu fördern.
Ausdrücklich bekennt sich der Referent zur Subkultur. Sie ist sperrig, oft nicht besonders kooperationsfreudig, eigenwillig – und gerade deshalb wichtig. In Gaarden sollte den Angehörigen der Szenen ein Klima geboten werden, in dem sich Subkulturelle wohlfühlen und das ihnen die Möglichkeit bietet, ihre Existenz zu sichern. Gerade diese sogenannte Roughness, dieses Nicht-ins-Schema-passen, kann und sollte als harter Standortvorteil betrachtet werden. Sie muss auf jeden Fall erhalten bleiben.
Überfragt werden muss dabei auch die Bedeutung der Kreativwirtschaft als selbstausbeuterisches Existenz- und Gesellschaftsmodell. Und wir müssen auf die Querbezüge achten. Hochkultur, wie sie sich im Schlecker entwickelt, kann eine Rankhilfe für die Sub- und Off-Kultur bedeuten. Und andersherum kann die Sub- und Off-Kultur der Hochkultur eine Erdung verleihen.
Mitentscheidend für eine an den tatsächlichen Gegebenheiten orientierte Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft ist das Bewusstsein dafür, dass dies auch mit Sozialpolitik verbunden sein muss. Gerade in Gaarden. Hier gibt es viele Menschen mit bemerkenswerten Fähigkeiten, die sie oft autodidaktisch erworben haben. Es mangelt aber an Möglichkeiten zur Weiterbildung. Ein Weg kann es sein, das Jobcenter mit ins Boot zu holen, um entsprechende Angebote gerade für die vielen Künstler in Hartz IV zu entwickeln. Verbunden werden könnten damit Praktika in Betrieben der Kreativwirtschaft, aber auch modulare Bildungselemente in der Muthesius-Kunsthochschule.
Hilfreich wären aber auch einfache Dinge wie Indie-Säulen, auf denen Kreative für sich werben
können. Der Kultur- und Kreativrat könnte außerdem ein Werbe- und Vermarktungskonzept für
Künstler in Gaarden auf den Weg bringen.
Für den Kultur- und Kreativrat gibt es noch zahllose weitere Betätigungsfelder. Die Hebung des
Schatzes migrantischer Kultur hat noch nicht einmal ansatzweise stattgefunden, ebenso wäre ein Raum wünschenswert, in dem zum Beispiel ein 3-D-Drucker und anderes Equipment steht, das von vielen genutzt werden kann und für einzelne zu teuer ist.
Ich plädiere bei diesem Thema kurz gesagt für den Gaarden-Style: Präzise, einfach, nachhaltig
2. Christian Leonhardt (Restaurierungszentrum Kiel): Kunst schaffen, Kunst erhalten, Kunst vermitteln – Das Restaurierungszentrum als Kompetenzzentrum
Das Restaurierungszentrum Kiel ist ein Ankerpunkt in der Stadtteilentwicklung und löste viel Begeisterung aus, als es Anfang 2011 an den Start ging. Ansonsten wurde uns aber außer wohlwollender Aufmerksamkeit nicht viel zuteil. Schon gar keine öffentliche Förderung.
So oder so: Das Restaurierungszentrum funktioniert. Hier arbeiten neun freie Restauratoren mit gemeinsamer Infrastruktur von der Küche bis zum Gerüst, aber wirtschaftlich unabhängig voneinander. Die Türen stehen im Grunde immer offen, das ermöglicht einen wirklich sehr vorteilhaften fachlichen Austausch untereinander. Auch nach außen hin wirkt der Zusammenschluss positiv: Durch die geballte Kompetenz unter einem Dach ist die Kaiserstraße 4 inzwischen weithin die bekanntestes Adresse, wenn es ums Thema Restaurierung geht.
Zudem wirkt das Zentrum in vielerlei Hinsicht in die Breite. Es übernimmt Aufgaben im Bildungsbereich zu Themen wie Stadtarchitektur und Baukultur, es bietet Ausbildungsmöglichkeiten, Praktika, die Möglichkeit für ein Freiwilliges Soziales Jahr und Seminare für Studierende.
Dennoch sind die Möglichkeiten unseres Hauses natürlich beschränkt. Ein Kunst schaffen Kultur- und Kreativrat wäre deshalb sehr zu begrüßen. Als Instrument der Lobbyarbeit für die Kreativen in Gaarden und auch, um einen Beitrag gegen ihre Vereinzelung zu leisten.
Das wiederum ist nicht zuletzt auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung.
3. Sabine Leonhardt (Verein „Kulturwerft“): Kunst schaffen
Kunst erhalten Kunst vermitteln – Kulturwerft
Der Verein „Kulturwerft“ formierte sich etwa ein Jahr nach der Gründung des Restaurierungszentrums (RZ). Mitglieder sind alle Restauratoren des RZ und etwa die Hälfte der Künstler aus der Kaiserstraße, darüber hinaus Restauratoren, Studenten, weitere Künstler, Kulturpädagogen und andere Vermittelnde, die über Veranstaltungen bereits Kontakt mit dem Restaurierungszentrum hatten und aktiv oder passiv die Ideen fördern wollen. Wir haben etwa 25 Mitglieder.
„Professionsübergreifend wollen im Verein „Kulturwerft“ Restauratoren, Künstler,
Kunstpädagogen, Kunsttherapeuten, Kunsthistoriker und Interessierte kreative Prozesse
anstoßen und Projekte entwickeln, die durch aktives Tun und aktives Erfahren Kunst,
Kultur und Geschichte greifbar machen.“ So steht es in der Satzung, und so halten wir es.
Der Verein ist die Schnittstelle zwischen dem wissenschaftlichen Anspruch des
Restaurierungszentrums und dem Vermittlungsgedanken, der damit anfängt, überhaupt
Interesse für Kultur und Kunst zu wecken.
Das geschieht zum Beispiel mit Vorträgen mit Themen von Restaurierung in Kambodscha bis zum Fliesenzimmer in Nordfriesland oder der Backsteinkultur in Gaarden. Die Organisationsform als Verein wirkt sich dabei positiv aus.
Auf diese Weise lassen sich Fördermittel gewinnen, etwa für einen Austausch mit polnischen Restauratoren oder auch für die Dauerausstellung „Die Kunst des Bewahrens“ bei uns im Haus.
Trotzdem ist festzuhalten: Förderung gibt es nur für Sachmittel, nicht aber für die investierte Arbeit, für die Zeit also, die uns Freiberuflern wegfällt, um Geld zu verdienen.
Im Gegenteil haben wir in fast alle bisherigen Projekte noch eigens Geld zugeschossen.
Auf Dauer ist das wohl nur schwer durchzuhalten.
Das zeigt sich schon im Kleinen: Die Kurse der Künstlerinnen und Künstler in unseren
Ateliers sind sehr gut besucht. Gerade bei Kindern aus dem Stadtteil gibt es hier einen
echten bedarf. Es läuft aber nur so, indem die Kurse umsonst angeboten werden und
darüber hinaus auch das Material kostenfrei gestellt wird.
Gleichwohl kann sich die Bilanz der „Kulturwerft“ sehen lassen. Der Verein ist gerade
einmal drei Jahre jung und hat in dieser Zeit 22 Vortragsveranstaltungen, vier
Exkursionen, zwei Fachexkursionen, zwei internationale Fachkolloquien, vier
Fortbildungsveranstaltungen mit dem Museumsverband, fünf studentische Seminare, eine
Dauerausstellung, fünf Einzelausstellungen, etwa 15 Kunstworkshops oder -kurse, zwei
Schülerprojekte sowie mehrere Stadtteilführungen organisiert und durchgeführt
.
Aber wie gesagt: Das bestehende Level zu halten, ist rein ehrenamtlich schon schwierig
genug. Unser Verein bräuchte dringend eine mittelfristige finanzielle Grundlage, um
darüber hinaus Bestehendes wie die Dauerausstellung weiterzuentwickeln oder auch, um
sich etwa in der Weiterbildung von Migranten zu engagieren. Für die Kunstkurse würde
sich eine Zusammenarbeit mit der Hans-Christian-Andersen-Schule an, aber auch hierfür
müssen die Wege geebnet werden.
Für den Kultur- und Kreativrat Gaarden sehe ich eine Chance, wenn es uns gelingt an
einem gemeinsamen Projekt zu stricken, das die verschiedenen Netzwerke abbildet, ihre
Themen und Notwendigkeiten aufgreift und in einer gemeinsamen Aktion nach außen trägt.
4. Edina Dickhoff (Pro Regio): Migrantisches Kulturnetzwerken. Immigrierte KünstlerInnen und ihre Zugangshemmnisse zu deutschen Kulturnetzwerken
Mit dem Thema bin ich schon seit 2004 befasst, seit ich in Projekten für Menschen mit Migrationshintergrund arbeite. Ich hatte es dabei mit Ballettänzerinnen, Sängern, Bildhauerinnen, Journalisten und vielen anderen Kreativen zu tun. Die teilten und teilen sich durchweg ein Schicksal:
Ihre Berufe werden hierzulande nicht als solche ernst genommen und öffentlich anerkannt.
Handwerker haben es da besser. Für sie sieht unser System inzwischen Module vor, um das zu ergänzen, was
ihnen im Herkunftsland nicht vermittelt wurde. Das kann die deutsche Fachsprache für den jeweiligen Beruf sein, es können aber auch bestimmte technische Fertigkeiten sein.
Ähnliches wäre auch für Kreative dringend nötig. Ich denke da an so etwas wie Kurse zur
Einführung in den deutschen Kulturbetrieb, der völlig anders strukturiert ist als in anderen,
insbesondere in diktatorischen Ländern.
Ein wichtiger Problempunkt ist immer wieder die Agentur für Arbeit beziehungsweise das
Jobcenter. Freiberufler wie Künstler oder Kreative sind im System im Grunde nicht
vorgesehen. Wer Leistungen bezieht, verliert sogar den Zugang zur Künstlersozialkasse
und wird so daran gehindert, schrittweise eine unabhängige Existenz aufzubauen. Für
MigrantInnen ist diese Problematik noch ein ganzes Stück härter. Viele von ihnen arbeiten
deshalb im Imbiss oder fahren Taxi, nur um ja nicht am Tropf des Jobcenters zu hängen.
Auch sonst haben es Kreative mit ausländischen Wurzeln besonders schwer.
Existenzgründungsseminare sind für ihre Bedürfnisse oft unzureichend, da sie nicht auf
den Berufsbereich zugeschnitten sind. Um Zugang zu deutschen Netzwerken zu erhalten,
fehlt es an Sprachkenntnissen. Nötig wären hochwertige Kurse mit dem Level C1 oder C2,
doch dafür gibt es außerhalb der Universität kaum Angebote und erst recht kein Geld.
Der Kultur- und Kreativrat Gaarden könnte hier insofern helfen, als er Druck aufbaut. Es
muss den Betroffenen möglich sein, wenigstens ernsthaft zu prüfen, ob sie unter den
Bedingungen in Deutschland überhaupt in Kunst oder Kreativität arbeiten wollen. Das sind
tatsächlich sehr harte Jobs, und wenn jemand zum Schluss kommt, das nicht zu wollen, ist
das ja auch gut. Aber dazu muss man erst einmal ein Stück begreifen (dürfen), wie der
Hase läuft.
Ich finde, das sollte uns die Sache wert sein. Die Gesellschaft verliert sonst sehr viele
Stimmen, die etwas vermitteln können, was wichtig ist. Und: Vielfalt kann nur dann gelebt
werden, wenn die Grenzen durchlässig sind.
5. Germaine Adelt (W8): Zu schwach für Verstärkung – Einstellungshemmnisse aus Unternehmersicht
Betriebe aus der Kreativwirtschaft haben oft ein widersprüchliches Problem: Sie haben Bedarf an zusätzlichen kreativen Kräften, aber wenn sie neu einstellen, bringt das nicht unmittelbar mehr Geld. In der W8 gibt es aktuell eine Firma, die händeringend Leute sucht, aber genau aus diesem Grund nicht tätig werden kann. Es ist im Grunde absurd: Arbeit ist da, Räume sind da, alles ist da, nur kein Geld. Diesen Fall beschreibe ich hier zwar konkret, es gibt aber viele Unternehmen, denen es ähnlich geht. Die Betroffenen haben
wahnsinnig viele Ideen, befinden sich aber in der Lage, dass sie mit ihrer Arbeit mühsam so gerade die eigene Existenz sichern können.
Oft behilft man sich deshalb mit Praktikanten, denn die kosten ja kein Geld. Immer mehr
Chefs verzichten aber selbst darauf, weil sie es einfach nicht richtig finden, Leute für
umsonst arbeiten zu lassen.
Nun sollte man meinen, dass es ja auf der anderen Seite genug Kreative gibt, die eine
Beschäftigung suchen. Und dass also nur das Jobcenter oder eine andere Einrichtung
dafür sorgen müsste, beide Seiten zusammenzubringen. Auch mit entsprechender
Förderung. Aus der W8 hört man dazu aber Eindeutiges: Endlose Behördengänge und
keine Resultate.
Der Kultur- und Kreativrat könnte dazu beitragen, mehr Verständnis bei diesen Stellen zu
fördern und Modellprojekte auf den Weg zu bringen. Sehr wünschenswert wären auch
bedarfsgerechte Lösungen, um die Vergabe von Ausbildungsplätzen in der Kultur- und
Kreativwirtschaft zu unterstützen.
6. Viktoria Ladyshenski (Jüdische Gemeinde Kiel und Region): Kulturarbeit braucht Kontinuität
Die Jüdische Gemeinde Kiel und Region befindet sich in einer besonderen Situation. Sie hat – wie andere Gemeinden dieser Art auch – den ausdrücklichen politischen Auftrag zur Kulturarbeit.
Das hat damit zu tun, dass das jüdische Leben in Deutschland systematisch ausgerottet wurde.
Die Sache mit der Kulturarbeit ist indes eine Herausforderung. Wir müssen ja bedenken, dass die jüdischen Gemeinden in Deutschland vielfach erst vor kurzer Zeit durch Einwanderung aus Osteuropa entstanden sind. Und auch in Osteuropa konnte sich die jüdische Kultur nur im Verborgenen entfalten.
Trotz dieser Herausforderungen tun wir unser Bestes. Wir zeigen uns auf sehr vielen öffentlichen Spielfeldern, öffnen unser Gemeindezentrum, beteiligen uns am Gaardener Kulturfrühling,
unternehmen gemeinsame Projekte mit der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein.
Das bringt uns viel Lob, aber keine Förderung. Wir bekommen darüber hinaus diverse
Anfragen, etwa von Schulen und Kirchengemeinden – von Menschen, die die jüdische
Kultur kennen lernen wollen.
Aber: Wir haben eigentlich dafür keine Ressourcen. Die Kulturarbeit findet größtenteils
ehrenamtlich statt. Für jedes größere Projekt muss ein Förderantrag gestellt, bearbeitet
und abgerechnet werden. Die Politik äußert sich dann begeistert, zum Beispiel
über Veranstaltungen wie den Tag der Jüdischen Kultur. Doch wenn im Jahr darauf wieder dazu
Förderung beantragt wird, heißt es: „Aber das haben wir doch schon letztes Jahr
gefördert.“
Kultur wird zwar gefordert, aber dann, wenn es um die finanzielle Unterstützung geht, wird
sie wie eine Stieftochter behandelt. Es soll auch für die Kontinuität gesorgt werden.
Jüdische Kultur und Tradition sollen weiter an die nächsten Generationen, an Kinder und
Jugendliche gegeben werden. Auch dafür werden Ressourcen benötigt, die uns fehlen.
Es schmerzt uns, dass wir keine Lehrkräfte, Workshop-Leiter engagieren können. Es
schmerzt uns, dass wir kaum Geld für angemessene Materialien haben. Eine weitere
Schwierigkeit zeigt sich am Umgang mit Erinnerungen: Die Erinnerungen der Generation,
die den Holocaust überlebt hat, landen bestenfalls in Archivordnern. Aber wir
haben keine Möglichkeit, sie angemessen aufzuarbeiten und weiter zu geben.
Ein drittes Problem sehen wir bei unseren Künstlerinnen und Künstlern. Sie brauchen
einen Zugang zur Öffentlichkeit – wie alle, die Kunst produzieren. Aber sie haben kein
Geld dafür, sich in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Am schwierigsten ist die Lage für
Schriftstellerinnen und Schriftsteller, aber auch um im Rahmen der Jüdischen Gemeinde
Ausstellungen zu organisieren, fehlen uns die Ressourcen. Der Bedarf, der an uns
herangetragen wird, ist viel größer als das, was wir leisten können.
Was wir uns für die Zukunft wünschen? Unser größter Wunsch ist es, dass unsere
Kulturarbeit Kontinuität hat. Denn die jüdische Kultur kann sich nur weiter entwickeln,
wenn sie gelebt und öffentlich gelebt wird. Und gleichzeitig ist das Wissen über das
Judentum durch Kunst und Kultur am Besten zu vermitteln …